Dem berühmtesten Meissener Porzellandekor ist in diesem Jahr eine Ausstellung gewidmet. Doch wer entwarf eigentlich das Zwiebelmuster?
Zwiebelmuster und Meissener Porzellan sind kaum ohne einander zu denken. Das Dekor ist bekannteste der Meißner Manufaktur. Ihm ist derzeit im Museum der Manufaktur eine Sonderausstellung gewidmet. Doch wer hat das Zwiebelmuster einst erdacht?
Wer nach seinen Ursprüngen forscht, wird auf eine Familie von Manufakturisten stoßen: Vater Johann George Mehlhorn (um 1671 – vermutlich 1735) und seine drei Söhne Johann Gottlieb/Gottlob (vor 1695 – 1769), Johann Gottfried (1695/96 – 1739) und Johann Ernst (genaue Lebensdaten unbekannt) können als wesentliche Mitinitiatoren der kobaltblauen Unterglasurmalerei an der Porzellanmanufaktur Meissen angesehen werden. Ihr chaotisches, dramatisches Leben ist fast so spannend wie ein Kriminalroman.
Die Tätigkeiten der Mehlhorns für die Meissener Porzellanmanufaktur stehen in einem europäischen Zusammenhang. Vertreter der Familie waren in Holland aktiv, arbeiteten in der Delfter Fayencemanufaktur auf dem Gebiet der kobaltblauen Unterglasurmalerei, aber auch in der Fayencemanufaktur in Zerbst (seit 1721) und in der Steinzeug- und Fayencemanufaktur in Plaue an der Havel (seit 1713). Spuren führen schließlich auch zur 1708 von Johann Friedrich Böttger gegründeten und seit 1710 von Peter Eggebrecht geleiteten Dresdener Fayencemanufaktur.
Vor der Gründung der ersten europäischen Porzellan-Manufaktur in Meißen waren die Hafenstädte in Holland Eingangstore für die extrem begehrten Porzellane aus China und Japan auf den Kontinent. Importiert wurden sie durch die 1602 gegründete „Holländische Ostindische Kompanie“. Schon zwischen 1604 und 1656 hatten die Holländer über drei Millionen Stücke der begehrten Porzellane aus Fernost erworben. Die Versteigerungen dieser Kostbarkeiten waren gesellschaftliche Höhepunkte, bei denen Beauftragte der europäischen Fürsten in Aktion traten. Auch für August den Starken wurden Einkäufe getätigt: Sachsens Kurfürst wollte seine Porzellanleidenschaft befriedigen und seinen Traum vom „Porzellanschloss“ umsetzen.
Bereits kurz vor 1600 entstanden im holländischen Delft die ersten Fayencewerkstätten. Hier dominierte vor allem die „reine Blaumalerei“ mit Kobaltfarbe. Die bekannten ostasiatischen Porzellane dienten dabei als Vorbilder. Ähnlich verfuhr man in Sachsen nach Gründung der Meißener Porzellan-Manufaktur 1710. An sie wurden bei Bedarf besonders wertgeschätzte Porzellane ostasiatischer Herkunft aus der Porzellansammlung verliehen. Sie sollten den Meißner Manufakturisten als Vorbilder für deren Porzellan-Formen und -Dekore dienen.
Es entstanden zum einen exakte Kopien, zum anderen modifizierte „Anverwandlungen“ von Formen und Dekoren. Die farblichen und strukturellen Veränderungen können kaum verwundern: Die Meißner Maler kannten natürlich nicht die mannigfaltigen Bedeutungen der Gestaltungselemente ihrer Vorlagen. Aus den chinesischen Dekoren der „famille rose“ (um 1720-1735), die in bunter Aufglasurmalerei vorlagen, wurden bei Meissen kobaltblaue Unterglasurdekore. Sie waren viel rationeller in nur einer Farbe zu malen und mussten außerdem auch nur zwei Brände durchlaufen.
Ostasiatische Dekore gab es auch in Kobaltblau. Was davon in Meißen nachgefertigt wurde, wies auch von Maler zu Maler Gestaltungsunterschiede auf. So entstanden variierende Dekorfassungen, die unter Umständen mit den persönlichen Signaturen der Blaumaler gekennzeichnet wurden.
In Forschungen wurde nun das Meissener Zwiebelmuster mit der Familie Mehlhorn in Verbindung gebracht. Diethard Lübke bemerkte, dass es das Zwiebelmuster in China ab 1720 vor allem als „Famille-rose-Dekor“ gäbe. „Dort war der Dekor öffentlich zu sehen und konnte also auch abgezeichnet werden. So geschehen durch Johann Gottlieb Mehlhorn (1695 – 1769), der einige Zeit vor 1731 in Holland lebte…“ Nach seiner Rückkehr aus Holland habe Mehlhorn die ersten Zwiebelmusterdekore in Zerbst geschaffen. Einige Porzellane mit Zwiebelmuster seien im Krieg verloren gegangen. Erhalten habe sich im Dresdner Museum für Kunsthandwerk eine Deckelvase aus dieser Zeit. Die Verbindung zu Mehlhorn lasse sich über dessen Zerbster Signatur, ein „M“, herstellen. Im Jahr 1734 wurde Mehlhorn schließlich in Meißen als Porzellanmaler angenommen. Das Zwiebelmuster und andere chinesische Dekore habe er nach Sachsen mitgebracht. Zu bemerken sei allerdings: Die Bezeichnung „Zwiebelmuster“ habe sich erst ab 1850 eingebürgert.
Tatsächlich war Johann Gottliebs Vater Johann George Mehlhorn ein enger Mitarbeiter von Johann Friedrich Böttger – elf Jahre älter als dieser und seit 1713 in dessen Diensten. Er war so kühn, dass er 1719 behauptete, dass auch sein Zweitgeborener Sohn Johann Gottfried die blaue Kobaltmalerei so gut verstünde wie er selbst. Zusammen mit Christoph Conrad Hunger begründete Mehlhorn senior die Meissener Blaumalerei. Beide erhielten dafür eine Prämie von 300 Talern.
Aus dem Februar 1720 stammt jene Eingabe an August den Starken, in der Dr. Nehmitz, Johann Melchior Steinbrück, Johann George Mehlhorn, David Köhler und weitere Mitarbeitern bekunden, dass „die blaue Farbe aufs weiße (Porzellan) zu bringen, man hierselbsten nunmehro auch `inventiret“ habe. Kurz: Die Blaumalerei sei nun auch in Meißen „erfunden“ worden.
Köhler und Mehlhorn gelten als voneinander unabhängige Erfinder der kobaltblauen Dekormalerei in der Porzellan-Manufaktur Meissen. Doch Mehlhorns Fall folgte und war tief: Im September 1729 wurde Johann George Mehlhorn der „Pfuschmalerei“, das heißt der Hausmalerei außerhalb der Manufaktur, bezichtigt. Im Mai 1730 wurde er durch Carl Heinrich Graf von Hoym „dimittiert“, also entlassen. Gleichzeitig strich man ihm seine Pension.
Aus diesem Grund begab sich Mehlhorn senior im Sommer 1730 zu seinem Sohn Johann Gottlieb nach Holland. Nach einem Gnadengesuch vom Juli 1731 gewährte August der Starke dem geschassten Vater doch noch eine Pension von sieben Talern. In einem Schreiben vom Februar 1735 wird vermerkt, dass Johann George Mehlhorn verstorben sei.
Wer ist nun aber „der Holländer“, wie der Sohn Johann Gottlieb Mehlhorn in Meißen auch genannt wurde? Ende 1724 schrieb er selbst in einem Brief, dass er als Maler in der Zerbster Fayencemanufaktur tätig sei. In Sachen Porzellan gab es seinerzeit enge Verbindungen zwischen Meißen und Zerbst. Nicht nur, weil in der anhaltischen Stadt einst der Hofmünzmeister Christoph Pflug gelebt hatte, Johann Friedrich Böttgers Großvater mütterlicherseits. In der Zerbster Manufaktur war auch der Maler Johann Caspar Ripp tätig. Er hatte zuvor ab September 1720 auch zeitweise in der Meißner Porzellan-Manufaktur als Blaumaler gearbeitet.
Ripp hatte schon 1720 dem Zerbster Fürsten vorgeschlagen, eine Fayencemanufaktur zu gründen. Im Mai 1721 wurde der Vertrag unterzeichnet, aber schon im März 1723 wieder gelöst: Grund war Ripps Trunksucht. Im April 1722 war der unstete Ripp nach Dresden bzw. Meißen zurückgegangen, blieb hier aber nur für ein Jahr, dann von Juni 1723 bis Februar 1724 wieder in Zerbst, und ab Mai 1724 in Plaue an der Havel. 1726 verstarb er schließlich in Frankfurt am Main. In diesem Zeitraum bewarben sich Johann Gottlieb Mehlhorn und Johann Georg Fritzsche um die Leitung der Zerbster Manufaktur, was jedoch der dortige Fürst ablehnte.
Am 3. Januar 1732 wird in den Akten der Meißner Frauenkirche der Tod von Christina Friederica, „Herrn Johann Gottlieb Mehlshorns, Portrait-Mahlers und Lacqvirers Töchterlein“ verzeichnet. So ist anzunehmen, dass die Familie inzwischen in Meißen ansässig war. Im Juni 1734 wurde Johann Gottlieb Mehlhorn offiziell als Maler in der Meißner Manufaktur aufgenommen.
Nun kommt Krimi-Feuer in die Geschichte. Johann Gottlieb Mehlhorn und sein Bruder Johann Gottfried gerieten in den Strudel der sogenannten „Bayreuther Verschwörung“. Wegen Verrats von Produktionsgeheimnissen wurden sie im Februar 1735 verhaftet und im Mai desselben Jahres ins Zuchthaus Waldheim gebracht. Für einen der Brüder endete das tödlich. Johann Gottfried Mehlhorn starb nach vierjähriger Haft 1739 in Waldheim. Johann Gottlieb blieb noch weitere zehn Jahre – bis März 1749 – dort gefangen. Danach wurde er auf Anordnung von Graf Brühl in die Festung Königstein eingeliefert.
Johann Gottlieb Mehlhorn galt als exzellenter Porzellanmaler. Er war einst Höroldts erster Lehrling gewesen, später sein Geselle. In der Festung Königstein musste er sich nun durch seine Malereien die Unkosten der Haft und die Unterstützung seiner Familie erarbeiten. Im April 1750 gelang ihm jedoch die Flucht von der Festung. Über Prag und Breslau kam der Entlaufene schließlich glücklich nach Berlin. 1752 starb Johann Gottlieb Mehlhorns Ehefrau. Er ging danach nach Kopenhagen, wo man ihm bis 1762 eine Ofenfabrik für die Gründung einer Porzellan-Manufaktur zur Verfügung stellte. Von 1754 bis 1760 arbeitete er an der Kopenhagener Porzellanmanufaktur und 1761/62 an der Manufaktur Kastrup bei Kopenhagen. 1757 wurde ihm der Titel eines „Hofporzellanmachers“ verliehen, 1762 bekam er eine Pension auf Lebenszeit. Am 2. Januar 1769 starb Johann Gottlieb Mehlhorn in Kopenhagen.
Das Leben des zweitgeborenen Bruders Johann Gottfried war ähnlich dramatisch verlaufen. Von 1712 bis 1717 war er Porzellanmaler in der Meißner Manufaktur. Nach dem Vorschlag von Christoph Conrad Hunger sollten er und sein Vater im Mai 1718 nach Wien kommen. Man versprach bessere Bezahlung, forderte aber, Mehlhorns sollten Proben von Kobalt und ein Fässchen der feinsten weißen Erde mitbringen. Doch Mehlhorn senior meldete das Wiener Ansinnen bei der Meißner Manufaktur-Direktion.
Mehlhorn junior verschwand für kurze Zeit aus Meißen. Offenbar arbeitete er in der Steingut- und Fayencemanufaktur in Plaue. Doch schon im November 1718 bewarb sich Johann Gottfried erneut als Porzellanmaler bei Meissen. Durch väterliche Vermittlung wurde er tatsächlich 1719 wieder aufgenommen. Die ersten „blauen porcellaine“, die zur Ostermesse 1720 nach Leipzig und danach zur Petri-und-Pauli-Messe nach Naumburg gebracht wurden, trugen auch die malerische Handschrift des Johann Gottfried Mehlhorn.
Seine „roth und braun gemahlten“ Stücke waren wohl weniger erfolgreich. Gehässig nannte man ihn bei Meissen den „Schelm von Plauen“ oder „Gurkenmaler“. Auch seine „blauen Geschirre“ waren kaum verkaufsfähig. 1721 wurde Johann Gottfried Mehlhorn ermahnt, besser zu arbeiten, sonst müsse er als Former arbeiten.
Seine Beziehung zu Meissen blieb unstet. Im März 1722 verließ Johann Gottfried Mehlhorn seine Arbeit in der Manufaktur und ging nach Dresden, doch von 1723 bis 1725 war er wieder in der Manu beschäftigt. Von April 1725 bis Februar 1726 befand er sich in Waldheim „in Arrest“, bat danach um die Wiederaufnahme in die Manufaktur und bedankte sich im April 1727 für die Wiedereinstellung.
Brachen nun ruhigere Jahre an? Zumindest von 1728 bis 1734 war von keinen weiteren Problemen des Porzelliners zu hören – bis er im Februar 1735 wegen der „Bayreuther Verschwörung“ verhaftet und ins Waldheimer Zuchthaus gebracht wurde. Nach seinem dortigen Tod zahlte die Manufaktur noch über Jahrzehnte „Gnadengeld“ und Pension für seine Witwe Anna Elisabeth und seine Tochter.
Über den dritten Mehlhorn-Sohn Johann Ernst ist deutlich weniger bekannt. Er wurde der „Lackierer Mehlhorn“ genannt, arbeitete anfangs als Maler, wurde jedoch von dieser Tätigkeit suspendiert und bat im September 1728 „wenigstens im Brennhause oder Schlämmgewölbe oder zum Formen bleiben zu können, wenn er schon nicht mehr malen dürfe“. Nach Aktenlage kam er 1735 nicht ins Zuchthaus Waldheim.
Weitere interessante Forschungsergebnisse enthält ein Beitrag von Lutz Miedtank, der in diesem Jahr von der „Meissen-Porzellan-Stiftung“ veröffentlicht wurde: „Die Meissener Manufakturisten Ripp, Zimmermann, Mehlhorn und Fritzsche in der Fayencemanufaktur Zerbst“. An die bei Meissen überaus aktiven Mitglieder der Familie Mehlhorn sei dagegen mit diesem Beitrag würdigend erinnert.