Erinnerung an den 6. Juni 1637
Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 traf auch Sachsen, wie viele andere deutsche Regionen schwer. Zunächst war das Land als kaiserlicher Bündnispartner kaum betroffen. Mit dem Wechsel auf die schwedisch-evangelische Seite 1631 und 1635 wieder zurück zur kaiserlichen wurde es aber bis zum Waffenstillstand 1645 zu einem der Hauptkriegsschauplätze. Meißen musste in dieser Zeit wie viele andere Orte Sachsens Schreckliches erdulden: erstmals 1632 durch die Kaiserlichen, letztmals 1645 durch die Schweden. Dazwischen lag jedoch als schlimmstes Kriegsereignis die Brandschatzung der Stadt am 6. Juni 1637.
Die Schweden überfallen die Stadt
Die Niederlage der Kaiserlichen bei Wittstock am 24. September 1636 hatte dazu geführt, dass die Schweden unter Baner um die Jahreswende 1636/37 bis nach Nordsachsen vorzudringen und am 11. März 1637 sogar in einem überraschenden Vorstoß die Meißner Elbbrücke niederzubrennen vermochten. Aus der danach gefestigten Front nördlich von Meißen – Großenhain traten dann am 7. Mai die sächsisch-kaiserlichen Truppen zum Gegenangriff an, der bis Eilenburg und Wittenberg führte. Baner gelang es indes, ihnen in einer neuerlichen Überraschungsaktion mit 4.000 Mann vom 5. bis 8. Juni in den Rücken zu fallen und dabei Meißen heimzusuchen, bevor er sich am 19. Juni von Torgau wieder aus Sachsen nach Norden zurückziehen musste.
Begünstigt war der Überfall durch die vernachlässigte Verteidigungsbereitschaft Meißens. Lediglich auf dem Schlosse lag eine Abteilung Musketiere, während die Bürgerwache statt mit 22 nur mit drei Mann besetzt war. Außerdem hatte man die Verteidigungsanlagen vernachlässigt, die so am 6. Juni 4 Uhr früh hinter der Fürstenschule, durch das Lommatzscher sowie das Fleischertor rasch überwunden werden konnten. Wenngleich sich die Schlossbesatzung behauptete, sogar unter den „schwarzen Toffel“ kühne Ausfälle unternahm und manchem Bürger Schutz bot, blieb die ganze Stadt doch wehrlos den Eindringlingen ausgeliefert. Die nutzten dies zur barbarischen Plünderung und Drangsalierung. Die zahlreichen Einzelberichte vermitteln zusammengefasst davon ein eindrucksvolles Bild.
„Das arme Volk wurde‚ gleich dem unvernünftigen Vieh, über den Haufen getrieben, bis auf das Hemd ausgezogen, gerättelt und geschnürt, böse Tränke eingegeben‘ usw. Ein Lehrer der Stadtschule wurde an der Wand aufgehenkt; zum Glück gab der Nagel nach und der bereits Bewusstlose konnte zum Leben zurückgebracht werden.“
Es gab reiche Beute, da die Kaiserlichen wochenlang viel Diebesgut vom Lande eingeholt und billig loszuschlagen hatten. Auf dem Rathaus wurden die Kassen gesprengt; in der Stadtkirche raubten die Vorkämpfer des Protestantismus die schönen silbernen Kannen, Kelche und Patenen, ja die Ornate. Alle Schiffe, alle Wagen, deren man eine auffallend große Zahl in der Stadt fand, wurden beladen und mitgenommen. An den Weinvorräten aber soffen sich Mannschaften und Offiziere toll und blind voll, dass selbst die Fahnenwachten auf dem Galgenberg besinnungslos im Korn lagen.
Nach Plünderungen folgte eine Feuerbrunst
Am Nachmittag flammten an den Frauenstufen, am Markt, in der Burggasse die Feuersbrünste auf, die allmählich zwei Stadtviertel von der Elbgasse und dem großen Markte bis zu den Höhen hinauf fast vollständig in Asche legten. Mancher Unglückliche erstickte im Keller, seiner letzten Zuflucht. Das Rathaus brannte schon, konnte aber noch gerettet werden. Sehr schlimm erging es dem Ratskollegium. Der Bürgermeister konnte von Glück sagen, dass er nur abbrannte; ein zweiter Ratsherr wurde gänzlich ausgeplündert, ‚dass er weder um noch an hatte‘, brannte ab und wurde so gemartert, dass er an den Folgen starb; zwei andere erlagen gleichfalls den Misshandlungen; einer verlor Verstand und Sprache, und dem Stadtrichter wurde sein Sohn gefangen fortgeführt.“ So schreibt Markus Paul über „Meißens schwere Stunde“ 1637.
Wüstungen und Bevölkerungsschwund
Das Wüten der schwedischen Soldateska hatte Meißen hart getroffen. Von den 277 Häusern der Innenstadt waren nur noch 102 bewohnbar geblieben. Besonders die Burggasse (Burgstraße) war schwer gebrandschatzt, so dass – mitbewirkt durch spätere kriegerische Ereignisse – noch bis in das 19. Jahrhundert unbebaute Wüstungen von jenem Schreckenstage zeugten. Demgemäß verzeichnete auch die Einwohnerschaft einen erheblichen Rückgang von 181 Einwohnern im Jahre 1635 auf 94 fünf Jahre später, und noch 1700 war mit 167 Bewohnern der einstige Stand immer noch nicht erreicht. Obwohl noch manche Kriegsereignisse Meißen heimsuchten, zuletzt im April/Mai 1945, blieb dieses Geschehen am 6. Juni 1637 das schlimmste von allen kriegerischen Begebenheiten.
Autor: Gerhard Steinecke
Der Artikel erschien am 21.06.2007 in der Druckausgabe des Meißner Tageblatts.
Titelbild: Sebastiaen Vrancx creator QS:P170,Q976386, Plündernde Soldaten im Dreißigjährigen Krieg, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons