Vor 100 Jahren wurde die Jägerkaserne in Meißen-Zaschendorf eingeweiht. Dr. Günter Naumann schildert in einer Serie die Geschichte des Areals.
Am 7. Mai 1945 wurde die Kaserne durch die Rote Armee besetzt. Für die Jahre bis 1990 gibt es keine gesicherten Erkenntnisse zu ihrer Belegung und zum Garnisonsbetrieb. Aus mehreren Gründen sind die Erinnerungen und Eindrücke an die sowjetische Garnison mehr zufälliger Natur und kaum noch sicher datierbar. Zugelassen waren nur offizielle Kontakte. Dazu gehörten die gegenseitigen Einladungen zu Festveranstaltungen anlässlich politischer Feiertage. Bei den alljährlichen Kranzniederlegungen zum „Tag des Sieges“ am 9. Mai auf dem sowjetischen Militärfriedhof in Meißen-Zaschendorf war stets auch der Rat der Stadt vertreten.
Persönliche Kontakte zu DDR-Bürgern wurden von sowjetischer Seite nicht gewünscht. Allerdings war dies von den jeweiligen Kommandeuren abhängig, die sich mitunter über verordnete Einschränkungen hinwegsetzten. Hatten sich Kontakte angebahnt, konnten diese aber nur von kurzer Dauer sein: Im Turnus von fünf Jahren wurde das Offizierskorps ausgetauscht. Erst in den 1980er Jahren wurden zur Behebung des Arbeitskräftemangels vereinzelt Gruppen von sowjetischen Soldaten in VEB-Betrieben für Hilfsarbeiten eingesetzt und dort auch sehr gut verpflegt, was dankbar angenommen wurde.
Zwar betraten noch verschiedene Personen, etwa Mitarbeiter von Baubetrieben, aus dienstlichen Gründen die Kaserne. Doch sie interessierten sich kaum für militärische Dinge, weil dies als Spionage ausgelegt werden konnte. Die Abschottung der Garnison war schon äußerlich sichtbar. Wo sich nicht schon eine Einfriedungsmauer befand, wurde das Kasernengelände durch hohe Bretterwände oder Betonmauern den Blicken Neugieriger entzogen. Bestand Gefahr, dass von erhöhten Standpunkten Einblick in die Kaserne möglich gewesen wäre, wurden Gegenmaßnahmen getroffen. Als zum Beispiel 1988/89 der VEB Kfz-Zubehörwerk Meißen unmittelbar gegenüber der Kaserne eine Lagerhalle errichtete, wurde auf Verlangen der sowjetischen Dienststellen angeordnet, dass nur bestimmte politisch zuverlässige Personen das Dach der Halle betreten durften.
Nicht zu verbergen war die beträchtliche Erweiterung des Areals der Zaschendorfer Kaserne Mitte der 1970er Jahre. Auch die Lage der lokalen Truppenübungsplätze war bekannt, doch kam auch dort kaum jemand hinein – es sei denn, in den Wäldern der Übungsplätze brach einmal ein Brand aus und die deutsche Feuerwehr kam zum Einsatz. Ärger erregte die Schädigung der ohnehin schon sehr maroden Straßen durch Kettenfahrzeuge.
Erst für die Zeit von 1990 bis 1992 liegen wieder gesicherte Erkenntnisse zur Meißner Garnison der GUS-Truppen vor. Im Zusammenhang mit dem Abzug dieser Truppen kamen über das Verteidigungskreiskommando Meißen offizielle Kontakte zwischen zivilen Behörden und der Meißner GUS-Garnison zustande. Auch die Begehung der Zaschendorfer Kaserne wurde jetzt möglich. Man arbeitete zusammen, um den reibungslosen Abzug der GUS-Truppen sicherzustellen und die Folgeschäden zu minimieren. Die vor 1945 errichteten Gebäude und Einrichtungen waren fast alle erhalten geblieben. Auch die ursprüngliche Nutzung der bis 1935 errichteten Kasernengebäude wurde in nur wenigen Fällen verändert. So ist bekannt, dass der ursprünglich als „Krankenpavillon“ errichtete Bau als Verkaufsstelle diente. Aus dem „Fahrzeugschuppen“ war eine Werkstatt geworden und die ehemaligen Pferdeställe sowie die Waffenmeisterei waren ebenfalls für technische Zwecke genutzt worden. Das Exerzierhaus war nicht nur Sporthalle. Man hatte dort auch einen Kinosaal eingebaut. In der Verkaufsstelle der Kaserne gab es Dinge, die in der DDR zu den Mangelwaren gehörten, sodass auch deutsche Delegationen, die zu bestimmten Anlässen in die Kaserne eingeladen wurden, dort gern einkauften.
Es mangelte an Platz, so hielt sich die Errichtung neuer Gebäude in Grenzen. In der Zaschendorfer Kaserne waren nur im Technik-Bereich, also auf der Erweiterungsfläche von 1935, einige Gebäude und Anlagen hinzugekommen: ein Kfz-Schuppen parallel zur Heinrich-Heine-Straße, ein kleineres Garagengebäude, zwei Fasslager, eine Tankstelle, zwei Kfz-Waschanlagen sowie eine an das Werkstattgebäude angebaute Wartungshalle für Großfahrzeuge. An die Außenseite der Umfassungsmauer wurde nach Altzaschendorf zu ein Schweinestall angebaut. Die Tiere verwerteten die Küchenabfälle, ihr Fleisch besserte vor allem aber die Verpflegung der Soldaten auf.
Mitte der 1970er Jahre hatte man das Areal der Zaschendorfer Kaserne erweitert. Die neue Fläche schloss längs der Jägerstraße an das Gelände der ehemaligen Jägerkaserne in Richtung Nassau an und reichte bis zu jenem Abzweig der Ziegelstraße, an dem heute die Firma Hempelt und die Schwerter-Brauerei liegen. Dort wurden vor allem vier Hallen zur Unterbringung von Militärtechnik, zwei Kfz-Waschanlagen und eine Tankstelle errichtet. Weiterhin gab es dort einen zentralen Schrottplatz.
Zur Unterbringung der Familien von Offizieren und länger dienenden Unteroffizieren nutzte man in der Kaserne die drei Familienhäuser. Die reichte aber bei weitem nicht aus. So hatte man bereits 1945 die gegenüber der Kaserne liegenden Wohnhäuser Heinrich-Heine-Straße 28, 30, 32, 36, 38 und 40 beschlagnahmt hatte. Weiterhin errichtete man neben der Kaserne 1967 den Wohnblock Heinrich-Heine-Straße 35-39 und 1970 den Wohnblock Altzaschendorf 1-5.
Die Zaschendorfer Kaserne war zuletzt belegt vom 134. Pionier-Bataillon und vom 829. Fernmelde-Bataillon der GUS-Truppen. Bereits im April 1991 wurden die technischen Ausrüstungen des Pionier-Bataillons zum Truppenübungsplatz Königsbrück verlegt. Der Bataillon zog im Juni/Juli 1991 ab. Am 26. November 1991 wurde der GUS-Militärfriedhof in Meißen-Zaschendorf protokollarisch an die Stadtverwaltung übergeben. Am 28. Juli 1992 verabschiedete sich die GUS-Garnison unter Führung von Oberst Dolschikow mit einem feierlichen militärischen Zeremoniell in der Bohnitzscher Kaserne von der Stadt Meißen. Etwa 1.500 Soldaten und ihre Angehörigen verließen in den folgenden Wochen die Stadt. Die Kasernen, die Wohngebäude außerhalb und die Übungsgelände wurden an das Bundesvermögensamt übergeben.
Die Gebäude der Zaschendorfer Kaserne waren in schlechtem Zustand, besonders die Dächer wiesen Schäden auf. Die laufenden Reparaturarbeiten hatten vielfach Soldaten ausgeführt. Das benötigte Baumaterial beschaffte mitunter der Rat der Stadt. Als Gegenleistung half die sowjetische Garnison der Stadt mit technischem Gerät und Arbeitskräften aus. Ein weiteres Problem waren die Altlasten auf dem Gelände. Vor allem durch sorglosen Umgang mit Öl, Treibstoffen und Lösungsmitteln an den Tankstellen, Waschanlagen und den Werkstätten war der Boden erheblich kontaminiert. Schadstoffe waren bis in den Langen Graben gelangt. Nach dem Abzug der GUS-Truppen war auch das Bild der Zaschendorfer Kaserne durch Sperrmüll- und Schrotthalden geprägt.
Auf dem ehemaligen Kasernengelände wurde bereits Anfang November 1995 in der Ziegelstraße 4 das Karosserie- und Fahrzeughaus Hempelt eröffnet. Am 3. Oktober 1997 folgte die Schwerter-Brauerei in der Ziegelstraße 6. 1996 erwarb die Bienenwirtschaft Meißen die Fläche zwischen der Jäger- und der Hermann-Grafe-Straße. Beim Bau des neuen Firmensitzes in der Jägerstraße 2 wurden einige der Fahrzeughallen einbezogen. Die Bienenwirtschaft zog von August bis Dezember 1999 bei laufender Produktion von der Talstraße in das neu errichtete Werk um.
Im August 1997 erwarb die Stadt Meißen den nach der Nassau zu gelegenen Teil des Kasernen-Areals, um dort das Gewerbe- und Industriegebietes Meißen-Ost zu erweitern. Noch im selben Jahr wurden die dort befindlichen Kasernengebäude abgebrochen. Ebenfalls 1997 wurde die frühere Hausenstraße, die 1935 in das Kasernengelände einbezogen worden war, wieder als öffentliche Straße hergerichtet. Sie bekam nun ihren heutigen Namen „Jägerstraße“. Die beiden außerhalb der Kaserne errichteten Wohnblöcke Heinrich-Heine-Straße 35-39 und Altzaschendorf 1-5 erwarb die SEEG. Die Häuser wurden saniert, Mieter zogen ab 1998 und 1999 ein.
Im Besitz des Freistaats Sachsen blieb jener Teil des Kasernengeländes, auf dem sich die drei denkmalgeschützten ehemaligen Mannschaftshäuser, das ebenfalls unter Denkmalschutz stehende Stabshaus und der frühere Exerzierplatz befinden. Abgerissen wurden dort ein Wirtschaftsgebäude, die einstige Wache mit Arrestanstalt und das Gebäude für den Einlassdienst am Kasernentor. Im Oktober 1997 begann dann das Straßenbauamt Meißen mit der Sanierung des ehemaligen Mannschaftshauses III. Ab Oktober 1999 konnte es genutzt werden.
Mitte 2004 wurde mit der Sanierung und dem Umbau der ehemaligen Mannschaftshäuser I und II sowie des ehemaligen Stabshauses begonnen. Am Mannschaftshaus I blieb am Traufsims das Königlich-sächsische Staatswappen aus der Erbauungszeit der Jägerkaserne erhalten. 1945 war es mit einem Sowjetstern verdeckt worden. Bei der Sanierung wurde unterhalb des Traufsimses am Mannschaftshauses II ein Fantasie-Wappen angebracht, das bei gutwilliger Beurteilung Anklänge an das heutige sächsische Wappen aufweist. Neu ist auch ein verglaster Übergang, der die Mannschaftshäuser I und II in Höhe der Obergeschosse verbindet. Seit Februar 2006 werden die beiden ehemaligen Mannschaftshäuser durch das Finanzamt Meißen genutzt. Die Kantine befindet sich im ehemaligen Stabshaus. Dort zog auch eine Außenstelle des Landeskriminalamts ein, die seit 2009 eine Außenstelle des Polizeireviers Meißen ist. Der einstige Exerzierplatz wird heute als Parkplatz genutzt.
In den Jahren 2012 und 2013 wurde auf dem einstigen Kasernenerweiterungsgelände in der Nassau noch die Halle der Firma „Pfrang Tec“ errichtet. Damit ist das gesamte ehemalige Kasernengelände neuen Verwendungszwecken zugeführt worden. Noch nicht belegt sind lediglich einige kleinere, zum Industriegebiet Meißen-Ost gehörende Flächen.