8. Mai 2024 20:35

Eine „Ritterburg“ auf Lerchaer Flur

Zeugen der Stadtgeschichte: Die Huttenburg

Dass es außer der Albrechtsburg in Meißen noch eine „Huttenburg“ gibt, wissen zwar manche Einheimische. Doch was hat es damit für eine Bewandtnis? Die etwas abseitige Lage auf der erst 1928 nach Meißen eingemeindeten Lerchaer Flur und die Verdrängung „klassenfeindlicher“ Erinnerungen aus dem historischen Gedächtnis während der DDR-Zeit haben die Spuren verwischt. Dabei ist die Huttenburg ein interessantes historisches Zeugnis.

Wo heute unterhalb Lerchas die vernachlässigten Bauten stehen, befand sich vordem ein Bauerngut, das – nach einer Karte von 1759 – als nach Süden offener Dreiseithof angelegt und bis 1855 dem Rittergut Siebeneichen abgabepflichtig war. Im März 1857 erwarb es der 34-jährige Leipziger Advokat Carl Theophilus von Hüttner von Johann Gotthelf Weber.  Von Hüttner verband damit die Absicht, hier für sich und seine Ehefrau Albertine einen standesgemäßen Herrensitz zu errichten. Er beauftragte damit den Leipziger Architekten Baurat Oskar Mothes, einen Semper-Schüler. An jenen und seinen Vater erinnert heute eine Straße in Leipzig-Eutritzsch.

Entsprechend der seinerzeit herrschenden Schwärmerei für das Mittelalter sollte das Anwesen im Stil des Historismus burg- und schlossähnlich angelegt sein. In Meißen kannte man solche Bauten bereits, zum Beispiel an der Siebeneichener Straße die neoromanische „Romburg“, auch „Güntz-„ und „Geipelburg“ genannt.

In Lercha bezog sich der Bauherr in Anlehnung an seinen Namen auf den Reichsritter Ulrich von Hutten (1488-1523), der sich besonders als Dichter und als Mitverfasser der „Dunkelmännerbriefe“ kompromisslos gegen den verlogenen Klerus gewandt und für den Durchbruch von Humanismus und Reformation eingesetzt hatte. Einen Tag vor dem 369. Geburtstag Ulrich von Huttens, am 20. April 1857, wurden die Bauarbeiten zur Um- und Neugestaltung der Lerchaer Huttenburg begonnen.

Im Frühjahr 1857 begann der Bau

Es waren vorwiegend Meißner Handwerker und deren Handlanger, die zum Bau herangezogen wurden, unter ihnen Maurermeister Heinrich Naumann, Zimmermeister Carl Schroth, Töpfermeister Teichert und Kupferschmied Thürmer. Zuerst erfolgte der Anbau eines Turmes am vorhandenen Guts-Wohnhaus. Jenes wurde lediglich im Obergeschoss verändert und durch einen Salonanbau und ein neues Seitengebäude erweitert. Für die Innengestaltung waren Leipziger bevorzugt worden, so der Holzbildhauer Schneider, Maler Bey, Töpfermeister Daschiel und Bildhauer Knaur (1811-1872), der eine Statue des Ulrich von Hutten fertigte. Knaur war Schüler Ernst Rietschels und hatte sich bereits 1843 als Schöpfer des ersten Bach-Denkmals hervorgetan. In diesem Jahr gestaltete er auch das Bekrönungszeremoniell für den Napoleonstein in Leipzig an der Tabaksmühle. Später folgten weitere bedeutende Arbeiten, darunter die Lessing-Büste für Kamenz.

Bereits vor Wintereinbruch, am 17. Oktober 1857, konnte man die Hebung des Turmes mit einem Hebeschmaus feiern und dabei dem Bau den neuen Namen geben. Dazu trug Architekt Mothes einen Vortrag bei, der – teils in Versform – ganz dem mittelalterlichen Fantasiebild seiner Zeit entsprach, wonach die Huttenburg anstelle einer früheren Raubritterburg errichtet sei. Mit der Aufsetzung des Turmknopfes am 9. November fanden die Arbeiten dann ihren Abschluss.

Wohnen im ritterlichen Ambiente: Das bot einst die Huttenburg
Wohnen im ritterlichen Ambiente: Das bot einst die Huttenburg. Foto: Archiv Meißner Tageblatt

Im Laufe der Zeit wurde die Huttenburg noch vervollkommnet. Zu ihr zählten neben dem als Palas fungierenden Hauptgebäude mit Turm eine Remise für Kutschen, ein Kornhaus als Scheune und ein Stallgebäude. Den Wirtschaftshof umschloss eine Zinnenmauer. Den Hauptzugang vom Süden überspannte ein mächtiger Torbogen mit Glockentürmchen. Das stadtwärts angelegte nördliche Tor zierte lediglich ein frommer Spruch, ebenso den Torbogen zum Zwingerbereich. Mit der Anbindung an die Hirschbergstraße verlor die Verbindung nach Lercha an Bedeutung. Damit dürfte das einst dem Nordtor vorgelagerte äußere Tor zusammenhängen. Eine besondere Bereicherung des Ensembles bildete eine Kapelle seitlich des Südtores, verziert mit Filialen und einem Dachreiter. Schließlich vervollkommneten eine Garten- und Parkanlage, ein Gärtnerhaus mit Wasserspeier und Gewächshaus (jetzt Erlichtstraße 20), Waldbesitz, ein Steinbruch sowie ein Türmchen im heutigen Kleingartenbereich das Huttenburg-Anwesen, wozu von Hüttner 1859 noch das Erlichtgut (jetzt Hirschbergstraße 52) erwarb.

Ein Idyll um 1915: Spielende Kinder im Garten der Huttenburg
Ein Idyll um 1915: Spielende Kinder im Garten der Huttenburg. Foto: Archiv Meißner Tageblatt

Dem Mittelalter nachempfunden

Obwohl die Huttenburg das Mittelalter nachempfand und sich lediglich einstiger Architekturelemente bediente, stellte sie insgesamt doch ein sehenswertes Bauzeugnis des 19. Jahrhunderts dar. Der Stil war vorwiegend neogotisch, besonders deutlich bei den Vorhangbogenfenster. Dazu kamen romanische Stilelemente. Der äußeren Gestaltung entsprach auch die innere Ausstattung. Nach einem Verzeichnis anlässlich des ersten Besitzerwechsels gliederte sich das Herrschaftsgebäude in 30 Räumlichkeiten, von denen besonders die Bibliothek, der (Ritter-)Saal, ein Boudoir (Damenzimmer) sowie das Arbeitszimmer anspruchsvoll eingerichtet waren. Unter anderem sind zahlreiche antike oder antikisierte Möbel, so ein Thronstuhl mit Baldachin und rückseitig roter Stoffbespannung mit Reichsadler, eine Rokoko-Uhr sowie eine Sammlung von 38 antiken Krügen, Statuen und zahlreiche Gemälde, darunter Tafelbilder Ulrich von Huttens und Franz von Sickingens, aufgeführt. Zudem schmückten eine geschnitzte und verzierte Renaissance-Holzkassettendecke den Rittersaal, Kachelöfen, Kronleuchter, Glasmalerei und bunte Bleiverglasung, Gobelinvorhänge und Tüllgardinen die Räume, Fliesen mit mutmaßlich pompejanischen Motiven das Bad.

Vielleicht war es der 1867 begonnene Bau der Eisenbahnlinie Meißen – Döbeln – Leipzig gewesen sein, der vom Huttenburg-Besitz Land beanspruchte und die abgeschiedene Ruhe störte, der von Hüttner im Juli 1867 zum Verkauf der Huttenburg bewog. Er suchte fortan im schweizerischen Wyl Erholung, bis er 1886 im italienischen San Remo verstarb. Aber auch die neue Besitzerin, Henriette Stephanie Freiin von Marvedel-Haldener aus Langburkersdorf, veräußerte den Besitz bereits im November 1868 an die Berlinerin Henriette verwitwete von Larisch, die ihn wiederum schon im März 1871 wieder an den Bremer Rentner Johann Ludwig Schrage verkaufte. Der Preis bewegte sich von 25.000 auf 55.000 und schließlich 27.000 Reichstaler.

Von Schrage als auch dem nachfolgenden Leutnant Maximilian Gilka auf Weißagk und Gehra bei Wendisch-Drähna, der die Huttenburg im August 1880 erwarb und im November 1880 seinem Bruder Gustav Gilka, einem Berliner Kaufmann, überließ, sind keine besonderen Wirksamkeiten überliefert. Offenbar spielte die Verpachtung eine maßgebliche Rolle, wie aus Inseraten im „Meißner Tageblatt“ zu entnehmen ist, so im Juni 1869 zum Kirschverkauf in der „Kirschhütte vor dem Erlichtgute“ durch Kirschpächter Carl Schmidt oder im November 1872 ein Pachtangebot auf sechs Jahre für 25 Äcker mit dem Erlichtgut durch Schrage.

Eine rege Nutzung des Objekts ist wieder unter dem Rentner Leopold Isaac aus Berlin spürbar, der es im November 1886 durch Grundstückstausch erwarb und mit seiner Mutter, Ehefrau, Sohn und Tochter sowie Enkelkind bezog. Damit einher gingen 1888 größere Reparaturen, wozu Schlosser- und Dachdeckerarbeiten sowie die Erneuerung der Wetterfahne auf dem Turmknopf gehörten. Inzwischen hatte die zunehmende Nachfrage auf dem Grundstücksmarkt auch den Wert der Huttenburg-Immobilie von 60.000 Mark (1880) auf 160.000 Mark gesteigert, für die es 1896 an die vorgebliche Baronin Else (von) Besckow aus Grunewald bei Berlin überging. Sie soll eigentlich Else Kempe geheißen haben, aus dem Gebiet Posen stammen und Schneiderin gewesen sein, bevor sie sich mit ihrem Ehemann, dem Leutnant a. D. Hans (von) Besckow auf Spekulationen verlegte.

Spekulationen um die Huttenburg

Die Geldgeschäfte des Paares waren ein kompliziertes Geflecht. Bezeichnend: Auf den Kaufpreis wurde bereits lediglich mit einer Anzahlung von 10.000 Mark eingegangen. Ansonsten hielt man die Forderungen des Verkäufers offenbar mithilfe von Darlehen und einem Erbanteil des Ehemannes hin, der Sohn eines vermögenden Berliner Immobilienhändlers und Rittergutsbesitzers war. Im Ergebnis kam das Erlichtgut im März 1901 an Hans (von) Besckow, während die Huttenburg im Oktober 1901 zufolge Auflassung für 300.000 Mark an Therese Piepenbrink in Wiesbaden überging. Schließlich musste im August 1902 die Zwangsvollstreckung angeordnet werden. Damit endete zwar nicht Besckows Spekulationstätigkeit. Er wurde 1914 übrigens verhaftet. Doch von der Huttenburg blieb größerer Schaden abgewendet.

Es war der Hauptmann und spätere Oberstleutnant Charles Lomax aus Berlin, Schwager von Besckow, der die Huttenburg im Mai 1903 für 100.000 Mark ersteigerte und sich um die Ordnung der Besitzverhältnisse bemühte. So schaffte er es, dass 1915 die Hypothek Leopold Isaacs von 1896 endlich gelöscht werden konnte, wenngleich sich dafür ein neuerliches Darlehen erforderlich machte. Zugleich kam es zum Verkauf von Nutzflächen, insbesondere der vor dem südlichen Zugang gelegenen, wo sich seit 1927 die Kleingartensparte Huttenburg befindet. Nachdem Lomax im April 1919 auch seine Berliner Villa verkauft und den Wohnsitz in der Huttenburg genommen hatte, erfolgten 1920 umfangreiche Verschönerungen durch stilgerechte Umbauten. An diesen war auch ein Enkel des Erbauers Mothes beteiligt. Im März 1922 wurde abermals die Wetterfahne erneuert.

Auf glanzvolle Zeiten folgte der Verfall

Es war der Hauptmann und spätere Oberstleutnant Charles Lomax aus Berlin, Schwager des Besckow, der die Meißner Huttenburg im Mai 1903 für 100.000 Mark ersteigerte und sich um die Ordnung der Besitzverhältnisse bemühte. So schaffte er es, dass 1915 die Hypothek Leopold Isaacs auf 100.000 Mark Kaufgeldforderung von 1896 endlich gelöscht werden konnte, wenngleich dafür ein neuerliches Darlehen erforderlich war. Zugleich kam es zum Verkauf von Nutzflächen, insbesondere der vor dem südlichen Zugang gelegenen, wo sich seit 1927 die Kleingartensparte Huttenburg befindet.

Nachdem Lomax im April 1919 seine Berliner Villa verkauft und den Wohnsitz in der Huttenburg genommen hatte, erfolgten 1920 umfangreiche Verschönerungen und Umbauten, an denen ein Enkel des Erbauers Professor Mothes beteiligt war. Im März 1922 wurde abermals die Wetterfahne erneuert. Da wirkt es wie ein Ausdruck neuer Lebensfreude, als im Februar und Juli 1920 die beiden Töchter erster Ehe, Wilma und Doris ihren Ehebund in der hauseigenen Kapelle schlossen.

Welche Umstände im Mai 1922 zum Verkauf der Huttenburg an den Direktor der Kurmärkischen Vermögensverwaltung AG in Berlin, Alfred von Olberg, führten, sind nicht eindeutig ersichtlich. Es dürften die neuerlichen Hypothekenbelastungen maßgebend gewesen sein, die sich 1914 aus einem Darlehen von 125.000 Mark ergeben hatten. Dafür spricht, dass der Erbe dieser Hypothek bei von Olberg als Kommanditist tätig war. Charles Lomax musste den Alterssitz aufgeben und sich in Rehbrücke bei Potsdam niederlassen, wo er 1930 verstarb. Doch die Huttenburg gewann mit ihrem neuen Besitzer.

Ein Militär zog ein

Oberstleutnant Alfred von Olberg, geboren 1872 in Darmstadt, konnte auf eine militärische Laufbahn von der Kadettenanstalt bis in den Generalstab zurückblicken. Während des Ersten Weltkrieges war er nach schwerer Verwundung als Chef der Oberzensurstelle des Kriegspresseamtes tätig. Darüber hinaus war er als Militärschriftsteller mit mehreren Büchern und Broschüren in Fachkreisen bekannt. Es erschien somit selbstverständlich, dass er sich in Meißen, wohin Lercha mit der Huttenburg 1928 eingemeindet worden war, von 1929 bis 1932 als Ortsgruppenführer des „Stahlhelm“, eines Bundes der Frontsoldaten, betätigte. 1932 wurde von Olberg nach Berlin in das Bundesamt dieser Organisation berufen.

Bei öffentlichen Auftritten, so am 4. Juni 1932 im Bezirkslandbund Meißen positionierte er sich für eine weitgehende Unabhängigkeit vom Weltmarkt, Wiedereinführung der Wehrhoheit sowie Schaffung eines Arbeitsdienstes. Zugleich machte er sich aber auch zum Fürsprecher eines starken Bauerntums „als der Baum des Lebens, dessen Wurzeln und Krone Erde und Himmel berühren und durch dessen Früchte die Nation erstarkt“. So vermerkt es das „Meißner Tageblatt“ vom 6. Juni 1932. Dem entsprach er tatkräftig selbst durch sein Bemühen um eine moderne Wirtschaftsführung auf der Huttenburg. Von Olberg war ein kenntnisreicher Geflügelzüchter und Landwirt. Ganz besonders aber widmete sich seine Ehefrau Else diesem Anliegen, indem sie einen „anerkannten land- und hauswirtschaftlichen Lehrbetrieb“ einrichtete und führte. Sie war es auch, die 1942 Aufnahme in das sächsische „Gesamtverzeichnis anerkannter Vermehrungszucht für Leistungsgeflügel, speziell Weiße Leghorn“ erreichte.

Etliche Mitbewohner sind Mitarbeiter im Objekt

In jenem Jahr wurde die Huttenburg auch baulich entsprechend umgestaltet, angefangen vom Garagenbau bis zur Gliederung des Anwesens in Schloss, Geflügelzüchter-, Verwalter- und Gärtnerhaus. Viele Arbeitskräfte wurden Mitbewohner des Objekts. 1937 waren es zwei (Land-)Arbeiter, ein Gärtnergehilfe, ein Geflügelwärter, ein Tischler und zwei Fuhrunternehmer bzw. Sandgrubenpächter. Um diese Zeit bewohnte außerdem noch die Tochter und Journalistin Freiin Margot-Lotti von Olberg das Schloss.

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde der 67-jährige Alfred von Olberg vom Oberkommando der Wehrmacht (OKW) zum Stab einer Panzerarmee befohlen, die er als Presseoffizier im sogenannten „Polenfeldzug“ 1939 begleitete. Danach war er noch Wehrmachtpropagandaoffizier und militärischer Mitarbeiter verschiedener Zeitungen sowie Vortragsredner im sächsischen Wehrkreis IV. Obwohl er zweifellos von nationaler Gesinnung und militärischem Pflichtverständnis geprägt war, blieb er zum Nationalsozialismus distanziert, jedenfalls ist keine organisatorische Aktivität bekannt. Der Besitz stand auch 1945 nicht zur Enteignung, obwohl der dazugehörige Grundbesitz unbedeutend war. Trotzdem wurde Alfred von Olberg nach dem Ende der NS-Herrschaft inhaftiert. Am 6. Dezember 1945 kam er in das NKWD-Lager Mühlberg, wo er am 15. Januar 1947 starb.

Die Witwe fügte sich in die neuen Verhältnisse und konnte den Besitz zunächst erhalten, ohne auf die bisherigen hilfreichen Mitbewohner verzichten oder eine rücksichtslose Überbelegung hinnehmen zu müssen. Zählten 1939 acht Bewohner zum Anwesen, waren es 1950 nur zwei mehr, was angesichts der Wohnraumknappheit nicht sonderlich belastend gewesen sein dürfte. Der Zurückhaltung entsprach auch die Nationale Front, als sie 1953 vorschlug, im Park der Huttenburg eine Freilichtbühne zu errichten, dies aber von einer Aussprache mit dem Grundstückseigentümer abhängig machte. Offenbar scheiterte das Vorhaben am Willen der Besitzerin, die es weiterhin vorzog, einen Geflügelhof zu unterhalten.

Else von Olberg zog um 1963 nach Westdeutschland. Die Huttenburg verlor damit ihre ursprüngliche Bestimmung. Die bis dahin noch verbliebene Ausstattung wurde beräumt. Unter anderem kam eine Glasharmonika aus Hüttners Einrichtung für 4.000 Deutsche Mark in das Musikinstrumentenmuseum Leipzig. Zugleich begann aber auch der Verfall des Huttenburg-Anwesens. Mieter und Nutzer schienen weniger auf die Bausubstanz zu achten, andererseits vermochte der eingesetzte Verwalter Paul Werner aus Dresden seinen Aufgaben nicht gerecht zu werden. Gegen den Widerstand der kommunalen Grundstücksverwaltung der Stadt Meißen konnte zwar 1965 eine treuhänderische Verwaltung durchgesetzt werden, jedoch fasste dazu der Rat der Stadt Meißen erst 1969 einen entsprechenden Beschluss. Unterdessen bestimmten weiter Desinteresse und Mangelwirtschaft das Schicksal der Anlage.

Intensiv bemühten sich nur lediglich Denkmalpfleger und Heimatfreunde um den Erhalt. Das Aktiv für Denkmalpflege mit Hans-Jürgen Pohl besichtigte im März 1966 die Huttenburg. Im April begutachtete Professor Hans Nadler vom Dresdner Institut für Denkmalpflege das Anwesen, konnte aber nur einen trostlosen Zustand feststellen und nur noch den Abriss der Wirtschaftsgebäude und die Nutzung des Herrenhauses für Wohnzwecke empfehlen. Ein entsprechendes Konzept von 1968 zum Ausbau als modernes Wohngebäude, Hotel, Ferien-, Kinder- oder Erholungsheim wurde vom Stadtbauamt abgelehnt, da die Gesamtanlage erhaltenswert sei und die Wohnungen zu teuer würden. Bei einer Besichtigung 1970 auf Drängen der Denkmalpfleger wurde lediglich die Sicherstellung der wertvollsten Ausstattung, wie der bleiverglasten Fenster, gefordert und der Abriss des Turmes abgelehnt.

Anfang 1970 begannen „Feierabendbrigaden“ und Mieterinitiativen mit einer Restaurierung des Objekts, die jedoch nach einigen Monaten aufgrund gesetzlicher Vorschriften eingestellt werden musste. Selbst ein Projekt als „Jugendobjekt“ der FDJ für junge Arbeiterfamilien fand keine Unterstützung. Als schließlich 1973 ein Ausbau im „Volkswirtschaftsplan“ der Stadt Meißen festgelegt wurde, waren bereits alle kunsthistorisch wertvollen Ausstattungsstücke und Baudetails abhanden gekommen. Zugleich verlor das Huttenburg-Anfang der 1970er Jahre durch den Abriss der Remise, von Kornhaus und Scheune, des Stallgebäudes und der Umfassungsmauer mit den Torbögen seine Vielgestaltigkeit. Daran änderte der Umbau des Palas zum Wohnhaus nichts mehr, zumal in der Folgezeit der Turm, der Anbau mit dem Rittersaal, Figuren, Erker und verzierte Fenstergewände herausgebrochen und ein Stockwerk aufgesetzt wurden. Das Gerücht, der Kunsthandel habe sich hier wie auf Schloss Scharfenberg reichlich bedient, erscheint nicht unglaubwürdig.

Eigentum der Erben

Else von Olberg blieb es erspart, den Niedergang des Besitzes sehen zu müssen. Sie vestarb 88-jährig im März 1971 in Murnau/Oberbayern. Als rund zehn Jahre später auch Tochter Margot-Lotti starb, fiel das Anwesen einer Erbengemeinschaft zu. Ihr wurde die Huttenburg 1998 rückübertragen. Seither steht die Immobilie wieder unter treuhänderischer Verwaltung, die von der Meißner SEEG ausgeübt wird. Was heute aber von der Huttenburg übrig geblieben ist, stellt trotz Reparaturen nur noch einen traurigen Rest dar. Die nachempfundene mittelalterliche Herrlichkeit ist verschwunden, die Kapelle dem Verfall preisgegeben, der einstige Palas ein schmuckloser Zweckbau.

Nichts wird mehr so sein, wie es war – und noch gibt es Bemühungen um das Verbliebene. So sorgt der einzige Bewohner des Palas-Gebäudes für die Pflege der zugehörigen Parkanlage. Familie Wreßnig gestaltete die einstige Fasanerie, die sie Anfang der 1980er Jahre baufällig erwarb, zu einem Schmuckkästchen. Ihr Wunsch, über eine Waldpacht auch Einfluss auf eine Verschönerung der Umgebung und den Erhalt der Kapelle nehmen zu können, lassen hoffen, dass die Huttenburg kein verwunschenes Spukschloss, sondern wieder ein beliebtes Ausflugsziel wird.

Für Unterstützung danke ich Gisela Krause (Wiesbaden), Rechtsanwalt Jürgen von Olberg (Detmold), dem Stadtarchiv Meißen, dem (ehemaligen) Denkmalamt der Stadt Meißen, der SEEG und dem Grundbuchamt des Amtsgerichts Meißen.

Gerhard Steinecke

Der Artikel erschien zweiteilig am 24.04.2008 und 22.05.2008 in der Druckausgabe des Meißner Tageblattes.

Neuer Glanz 2020: Die Fassade der Kapelle wurde saniert
Neuer Glanz 2020: Die Fassade der neogotischen Kapelle wurde saniert. Foto: Susanne Max

Neues von der Huttenburg

Seit einigen Monaten wird auf dem Gelände wieder gebaut und die Fassade der Kapelle saniert. Das Hauptgebäude mit ehemaligem Turm wird denkmalgerecht rekonstruiert. Bis 2022 sollen mehrere drei bis vier Zimmerwohnungen auf drei Etagen in dem burgähnlichen Gebäude entstehen.

(Stand: 19.08.2020)

Titelbild: Die Huttenburg auf einer Postkarte um 1928. Foto: Brück & Sohn Kunstverlag Meißen, 24346-Meißen-1928-Huttenburg-Brück & Sohn Kunstverlag, CC BY-SA 3.0.

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