21. Dezember 2024 16:57

Eine Erinnerung an den Architekten des „Hamburger Hofs“

Der „Hamburger Hof“ prägt das Bild des Meißner Stadtteils Cölln. Doch wer war der Architekt des monumentalen Baus? Baumeister Bruno Seitler ist fast vergessen.

Der „Hamburger Hof“ hat seit ein paar Monaten neue Eigentümer, bleibt einstweilen aber ein Sorgenkind der Meißner Stadtentwicklung. Während für die Rettung des markanten Bauwerks an der Dresdner Straße bereits Unterschriften gesammelt wurden und sich Bürger und Vereine engagieren, ist von seinem Schöpfer kaum noch die Rede.

Es war der Dresdner Architekt Bruno Seitler (1851 – 1925), der der eher kleinen Cöllner Schenke namens „Stadt Hamburg“ im Zuge eines Umbaus neue Gestalt als „Hamburger Hof“ gab. Der von Seitler entworfene monumentale Bau, der noch heute das Bild des Stadtteils mitprägt, wurde 1896 eröffnet.

Es war ein Lokal ganz auf der Höhe der damaligen Zeit. An der Fassade einige Anklänge an mittelalterliche Baustile, aber auch an den aufkommenden Jugendstil. Im Inneren verschiedene Gasträume, Konzert- und Ballsaal, Fremdenzimmer und Personalwohnungen. Die Gäste kamen in Scharen: Der „Hamburger Hof“ war als Ort für Tanz, Vergnügungen, Speis und Trank weit über die Grenzen von Cölln hinaus bekannt.

Architekt Bruno Seitler ist dagegen nicht nur in Meißen fast gänzlich in Vergessenheit geraten. Viele der von ihm entworfenen Bauten gibt es heute nicht mehr. Biographische Angaben müssen mühsam recherchiert werden. Die Meißnerin Roswitha Schäfer, die sich für die Erhaltung des „Hamburger Hofs“ engagiert, will auch seinen Architekten wieder in den Blickpunkt rücken. In Archiven hat sie einiges zum Leben und Wirken des Baumeisters herausgefunden.

Geboren wurde Karl Bruno Seitler am 25. Oktober des Jahres 1851 in Dresden. Er war Handwerkersohn, sein Vater Karl Gottlob ein Töpfermeister. Als Kind machte Bruno Seitler schon bald durch sein Talent zum Zeichnen auf sich aufmerksam. Zunächst schlug der spätere Architekt aber doch eine handwerkliche Laufbahn ein.

1866 begann er eine Maurerlehre. Nach deren Abschluss besuchte er 1868 und 1871 die sogenannte „Baugewerkschule“ in Dresden. Baugewerkschulen waren ursprünglich Ausbildungsstätten für Bauhandwerker gewesen. Die ersten dieser Einrichtungen wurden bereits in den 1820er und 1830er Jahren gegründet. Handwerker lernten dort – vor allem in den Wintermonaten während die Baustellen ruhten – die neusten Techniken und fachlichen Standards ihrer Gewerke kennen.

In der Zeit, in der Seitler an der Dresdner Baugewerkschule seine Ausbildung absolvierte, hatte sich die Bedeutung der Schulen bereits verändert. Die Lehre war anspruchsvoller geworden. Viele der Schüler von Baugewerkschulen hatten nun höhere Ambitionen. Sie wollten Architekten werden. Auch der Dresdner Handwerker Bruno Seitler sollte diesen Weg gehen. Die vertiefte Ausbildung an der Baugewerkschule war der Grundstein zu einer Karriere, die in der von industriellem Aufschwung geprägten Epoche sicher nicht unüblich war.

Seitler schloss von 1871 bis 1874 ein Studium an der Dresdner Kunstakademie an. Sein Lehrer im Bauatelier der Akademie war der Architekt Hermann Nicolai (1811 – 1881). Nicolai gilt als bedeutender Vertreter des Neorenaissance-Stils der Architektur. Das gab er auch an seine Schüler weiter. Als „Semper-Nicolai-Schule“ wird die besondere sächsische Ausprägung des Rückgriffs auf die Architekturformen der Renaissance bezeichnet.

Bruno Seitler war offenbar ein gelehriger Schüler. Sein Studium schloss er mit Auszeichnung ab und gewann den begehrten „Rompreis“. Ausgestattet mit einem Stipendium begab er sich anno 1877 auf eine Reise, die ihn nach Paris, Griechenland und Italien führte. Die Vorbilder der damals „angesagten“ architektonischen Neo-Stile hat Seitler also gründlich studiert. Von seiner „Grand Tour“ brachte er viele Reiseskizzen und Aquarelle mit.

In den 1880er Jahren etablierte sich Bruno Seitler in der Welt des Dresdner Bürgertums und in der Architektur. 1880 war er noch für eine kurze Zeit als Hilfslehrer an der Chemnitzer Bauschule tätig. Es folgten Anstellungen in Dresdner und Berliner Architekturbüros. 1881 legte Bruno Seitler seine Prüfung als „Baumeister“ ab und wurde schon im Oktober des Jahres Lehrer an der Dresdner Baugewerkschule. Er unterrichtete das Freihand- und das Architekturzeichnen.

Dem beruflichen Aufstieg entsprachen bald auch die privaten Verhältnisse. 1882 heiratete er seine Frau Elisabeth, eine geborene Blüher. Das Paar bekam zwei Söhne. Carl Gustav Seitler sollte später als „Baurat“ beruflich in die Fußstapfen seines Vaters treten. Sohn Erich Friedrich ging zum Militär.

In den Jahren, in denen das Deutsche Reich wirtschaftlich prosperierte, entwarf Bruno Seitler etliche Gebäude. Der repräsentative „Hamburger Hof“ in Meißen-Cölln steht dabei neben diversen Villen und Landhäusern. In der heute zu Radebeul gehörenden Gemeinde Oberlößnitz finden sich ebenso von Seitler entworfene Gebäude wie in Neudörfchen, das 1914 nach Meißen eingemeindet wurde. In Dresden wurden einige „Seitler-Gebäude“ 1945 vernichtet. Ein prominentes Beispiel seines Wirkens blieb in der Landeshauptstadt jedoch erhalten. Die Pläne zum 1890 erfolgten Umbau der Kirche auf dem Weißen Hirsch stammten von der Hand des Architekten.

Interessant ist auch dieses Detail seines Schaffens: Von Bruno Seitler stammten einige Entwürfe für die Ausstellung „Die alte Stadt“, die 1896 Besucherscharen nach Dresden lockte. Für die „Ausstellung des sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes“ waren am heutigen Straßburger Platz die Kulissen einer mittelalterlichen Stadt samt Fachwerkhäuschen, Rathaus und Brauhaus aufgebaut worden. Für diese Freiluft-Schau soll Seitler ein „Zunfthaus“, die „Bauhütte“ und das „Postgebäude“ entworfen haben.

1897 wurde Bruno Seitler zum Professor ernannt. 1905 übernahm er die Leitung der Dresdner Baugewerkschule, an der er einst selbst Schüler gewesen war. Zwei Jahre später bekam der Architekt den Titel eines „Königlichen Baurats“ verliehen. Seine Arbeit war nun vor allem die eines Lehrers. An der Dresdner Schule, die ab 1910 als „Königliche Bauschule“ firmierte, leitete Seitler weiter das Meisteratelier für Hochbau. Er publizierte Lehrmaterialien für den Unterricht und organisierte den Schulbetrieb auch während der Zeit des Ersten Weltkriegs. 1920 ging Bruno Seitler in den Ruhestand. Er widmete sich nun vor allem dem Malen und Zeichnen. Am 11. Dezember 1925 verstarb der Architekt in Dresden.

Der „Hamburger Hof“ in Meißen ist vermutlich das größte Gebäude, das noch an ihn und sein Schaffen erinnert.

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