8. Mai 2024 07:03

Ein besonderer Blick auf Elbe und Boselfelsen

Was verbirgt sich hinter diesem Gemälde von der Elbe? Unser Autor Dr. Hans Sonntag ist durch ein Bild auf die Lebensgeschichte des Künstlers Herbert Förster gestoßen.

Einer der schönsten und eindrucksvollsten Landschaftseindrücke Meißens ist sicher die Boselspitze über dem blauen Band der Elbe. Ein Bild des Malers Bruno Herbert Förster zeigt diese Szenerie.

Obwohl die Boselspitze nicht im Mittelpunkt des Gemäldes steht, führt doch der Blick des Betrachters entlang des Flusses direkt zum Felsen. Gemalt wurde das Bild im Oktober 1941 – zu einer Zeit, als es um Abbruch oder Weiterbestand der Bosel ging. Dr. Günter Naumann schreibt dazu: „Am 26. Februar 1943 kauft der ‚Landesverein Sächsischer Heimatschutz‘ von dem Kaufmann Wilhelm Fritz Dümling aus Leipzig den Steinbruch an der Boselspitze für 50.000 Mark. Damit ist die Erhaltung der ‚Boselspitze‘ gesichert. Noch 1935 hatte der Gemeinderat von Sörnewitz einer Zurückverlegung des Aussichtspunktes zugestimmt, wodurch auch Teile der bronzezeitlichen Wallanlage und der Höhensiedlung dem Steinbruchbetrieb zum Opfer gefallen waren. 1940 stellte der Regierungspräsident des Regierungsbezirkes Dresden-Bautzen das gesamte Boselgebiet durch Verfügung vom 7. Mai 1940 als Landschaftsschutzgebiet sicher … und kündigte Einschränkungen für den Steinbruchbetrieb an, die nach einer Ortsbegehung vom 11. Dezember 1940 ausgesprochen wurden und schließlich nur noch das Abräumen der Bruchsohle gestatteten.“

Wer heute durch das Elbtal wandert oder mit dem Fahrrad fährt, kann sich jeden Tag an diesem Landschaftsbild erfreuen, ohne zu ahnen, dass es einst kommerziellen Interessen geopfert werden sollte. Als genau darum gestritten wurde, malte jemand jenes Bild, das mit „H. Förster“ signiert ist. Auf der Rückseite des Gemäldes ist mit rotem Stift geschrieben: „Elbe bei Meißen mit Blick auf Bosel, gemalt Oktober 1941“. Das Firmenetikett der berühmten Kunstgalerie Emil Richter (Prager Straße 13 in Dresden), die das Bild einst verkaufte, ist noch immer auf der Rückseite zu sehen. Diese Galerie war vor dem Zweiten Weltkrieg eine der ersten Adressen für qualitätsvolle Malerei in der Kunststadt Dresden.

Doch das Bild ist noch aus weiteren Gründen interessant. Wer war sein Maler? Am 25. März 1909 wurde Herbert Förster im sächsischen Frauenstein geboren. Sein Vater war der Postangestellte Franz Bruno Förster, geboren 1880 in Brockwitz, der sich 1908 in Frauenstein verheiratete. Sein Großvater war der Wirtschafts- beziehungsweise Gutsbesitzer Gustav Adolf Förster in Brockwitz. Ab 1921 ist der Wohnsitz des Postschaffners Franz Bruno Förster mit Kalkberg 50 (heute Nummer 71) in Meißen verzeichnet. Der Vater des Malers starb 1971 im Altersheim an der Roten Gasse, die Mutter war schon 1965 verstorben.

Der spätere Maler Herbert Förster wurde 14-jährig im April 1923 für zwei Jahre an der Zeichenschule der Meißner Porzellan-Manufaktur aufgenommen. Ostern 1925 begann seine Lehrausbildung zum Porzellanmaler an der Manufaktur, die bis 1930 dauerte. Nach seinem Berufsabschluss blieb Förster aber nicht in der Porzellan-Manufaktur. Bereits im Sommersemester 1930 begann er ein Studium der Malerei an der Dresdener Kunstakademie. Er wurde sofort an der Akademie aufgenommen. Das heißt: Er muss ein ungewöhnliches Talent besessen haben. Bis 1937 studierte er bei den Professoren Otto Dix, Richard Paul Müller, Hermann Dittrich, Ferdinand Dorsch, Max Feldbauer und letztlich als Einzel- und Meisterschüler bei Professor Max Rudolf Schramm, genannt „Schramm-Zittau“. Eine großartige Ausbildungszeit: Alle genannten Professoren waren hervorragende und anerkannte Maler ihrer Epoche.

Nach Abschluss seines siebenjährigen Studiums als akademischer Kunstmaler ging Herbert Förster dennoch nicht wieder zurück an die Manufaktur. Er arbeitete als freischaffender Maler und Grafiker in Meißen und Dresden. 1938 soll er ein Wandbild in der Meißner Wehrmachtskaserne gemalt haben. Vor ihm hatten 1936 die Meißener Maler Gerhard Schiffner und Rudolf Bergander in der Zaschendorfer Kaserne drei Wandgemälde zum Thema „Meißner Soldaten im Wandel der Zeiten“ geschaffen.

1940 wurde Förster zur Wehrmacht einberufen. Das Bild mit Elbe und Bosel aus der Blickrichtung von Brockwitz schuf er im Jahr darauf. Sicher war es eine Erinnerung an seine Kindheit und Jugend, an Eltern und Großeltern, an die Zeit der Ferien in Brockwitz. Die Schönheit des Elblands scheint wie ein erinnerungsvoller Blick auf seine Gegenwartswelt, die noch in friedlicher Ruhe liegt. Würde es solch ein Bild in der Zukunft noch geben? Auf Försters Bild ist in der Mitte des Flusses eine Fähre zu sehen. Offen ist, ob sie anlegen wird oder gerade abgelegt hat. Am anderen Ufer gibt es keine Anlegestelle. In dem ruhigen Landschaftsmotiv ist die Fähre ein vieldeutiges Moment der Bewegung. Aber wohin?

Das Bild malte Förster im Oktober 1941. Danach musste er vermutlich in den Kriegseinsatz im Osten, denn im Juni des Jahres hatte der Krieg gegen die Sowjetunion begonnen. Von 1945 bis 1949 war Herbert Förster dann in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Nach 1950 und bis zu seinem Tod am 25. April 1997 in Leipzig war er wieder freischaffender Maler und Grafiker. Im Dresdener Stadtmuseum befinden sich zwei Grafiken von ihm. Die Bilder „Luftbad“ und „Parklandschaft“ stammen aus dem Jahr 1934. Herbert Försters Werk umfasst Ölbilder, Grafiken, Aquarelle, Stillleben, Landschaften, Porträts und Akte. 2014 ist das Jahr des 105. Geburtstags des Künstlers. Sollte sich noch jemand in Brockwitz oder Meißen an die Familien Förster erinnern, wäre der Autor für weitere Informationen dankbar.

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