9. Dezember 2024 17:41

Auf dem Markt sah es aus wie in einem Schweinestall

Harte Zeiten vor 200 Jahren: Im kleinen Meißen normalisierte sich das Leben nach den Napoelonischen Kriegen. Und die Polizei hatte viel zu tun.

Die Napoleonischen Kriege waren für das Elbland anno 1813 zu Ende gegangen. Im Jahre 1814 hatte Meißen knapp 4.400 Einwohner. In der Stadt begann sich das Leben nach den zehrenden Tagen des Krieges langsam wieder zu normalisieren.

Angesichts der Vielzahl und der Größe der Schäden war bald klar, dass das lange dauern würde und vieles nie mehr so würde, wie es vorher war. Im Mai 1814 wurden der Stadt aus England 1.200 Taler überwiesen – mit der Auflage, sie an Einwohner zu verteilen, die allzu sehr unter dem Krieg gelitten hatten. Unter Mithilfe des Hamburger Handelsherren Heinrich Schütze – er war Sohn eines Meißner Porzellanmalers – wurde ein „Waisenverein“ gegründet, der Geld sammelte und sich zahlreicher Waisenkinder annahm. Etwa 400, heißt es, irrten zu jener Zeit zwischen Dresden und Meißen umher. Die Schützestrasse im Triebischtal ist nach dem Kaufmann benannt.

Im September 1814 veröffentlichte das Meißner gemeinnützige Wochenblatt (Nr. 35 und 36) eine Polizeiinstruktion. Gewiss sollte diese Veröffentlichung beitragen, das Leben in der Stadt wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Man informierte die Bürger, damit sie durch eigenes Verhalten selbst mithelfen konnten. Ruhe, Ordnung und Sicherheit waren ein wertvolles Gut. Nur wurden sie damals oft ganz anders definiert.

Der Meißner Ratspolizeiaufseher hieß Johann August Barthold. Er war der einzige seiner Zunft. Seit wann und wie lange er es war, wissen wir nicht. Die genannte Instruktion schrieb ihm vor, dass er tagsüber fleißig Patrouille zu gehen habe, hin und wieder auch in der Nacht. Hierzu waren in der Regel auch Bürger aus den vier Stadtvierteln eingeteilt, die diesen Dienst reihum übernahmen.

Barthold hatte bei seinen Rundgängen dafür zu sorgen, dass sofort abgestellt wurde, was der öffentlichen Ordnung nicht entsprach. Grobe Verstöße sollte er der Obrigkeit melden. Zu jener Zeit herrschte schärfste Polizeiaufsicht. Es wundert nicht, wenn es heißt, dass er auf „müßig herumwandelnde Personen“ besonderes Augenmerk zu richten habe. In Wirts- und Schankhäusern musste Barthold die Einhaltung der polizeilichen Sperrstunde kontrollieren. Die lag im Sommer bei 10 Uhr abends, im Winter bei 9 Uhr. Außerdem oblag es ihm zu ergründen, ob in Herbergen sowie bei Hauswirten und anderen Einwohnern fremde Personen nächtigten, die möglicherweise Verdacht erregten. „Bey begründetem Verdacht“, so wurde er aufgefordert, solle er „Visitation und Nachsuchung halten“. Nicht einmal die private Wohnung war vor polizeilicher Kontrolle sicher.

Der Ratspolizeiaufseher hatte auch für die Reinlichkeit auf Straßen und Plätzen zu sorgen sowie dafür, dass diese regelmäßig gekehrt und bei Glatteis im Winter ordentlich gestreut wurden. Meißen war zu jener Zeit noch „eine Landstadt“. Viele Einwohner hielten Vieh – Pferde, Kühe, ein Schwein oder eine Ziege und vor allem Hühner. Stallmist fiel an und musste abtransportiert werden. Manche hatten Felder vor der Stadt, deren Produkte meist in Scheunen vor der Stadtmauer, aber oft auch in eine Scheuer am Stadthaus gebracht wurden. Außerdem wurde überall mit Holz und Kohlen geheizt. Es gab also viele Möglichkeiten zu Verunreinigungen, besonders bei Regenwetter. Meister Barthold und seine Nachfolger hatten viel zu tun.

Meißens Straßen und Plätze waren zu jener Zeit in einem ganz anderen Zustand als heute. Es gab ja noch keine gleichmäßigen Vierkantsteine. Wo es ein Pflaster gab, war das ziemlich buckelig. Man kannte auch keine erhöhten Bürgersteige. Bestenfalls waren Fahrweg und Fußweg durch eine schmale Abflussrinne getrennt. Die aber musste von Schmutz und Unrat freigehalten werden, gerade bei den abschüssigen Gassen der Meißner Altstadt.

In den Meißner Blättern von 1848 (Nr. 124) beklagt sich ein Einwohner, dass es auf dem Markt aussehe wie in einem Schweinestall und dass man an Markttagen oft vor Hundedreck nicht an die Marktstände herantreten könne. Der Rat hatte angeordnet, dass die „Armen“, die im Hospital wohnten oder Unterstützung bezogen, einmal pro Woche herangezogen wurden, den Markt und die Hauptstraßen zu fegen. Das geschah meist am Sonnabend. Wenn aber am Montag wieder der Alltag begann, Fuhrleute Holz oder Kohlen brachten und beim Entladen ihre Pferde auf offener Straße fütterten, wenn Stallmist oder anderes transportiert wurde, dann wurden manche Orte schnell wieder schmutzig. Man forderte zweimaliges Kehren und das mit großem Stallbesen, womit größere Wirkung erzielt werde.

Zu jener Zeit gab es auch noch keine Regelungen für den Verkehr auf den Straßen und Plätzen. Auch daraus eröffnete sich für den Meißner Polizeiaufseher ein weites Tätigkeitsfeld. Denn wiederholt geschah es, dass in einer engen Gasse zwei Fuhrwerke aufeinander zu fuhren. Sie konnten sich nicht ausweichen, keiner wollte zurückfahren. Dann waren Streit und Lärm angesagt, bis der Herr Ratspolizeiaufseher einschritt und wieder für Ruhe und Ordnung sorgte.

Das musste auch geschehen, wenn Handwerker wie Schmiede oder Wagner ihre Arbeiten gleich auf der Straße ausführten und dabei immer wieder deren gesamte Breite beanspruchten oder am Ende gar Gruben oder Löcher hinterließen. Zu allen Zeiten war es also wichtig, dass einer den Schaden, den er verursacht, auch wieder beseitigt.

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