21. November 2024 14:31

Der Erfolg des genauen Beobachters Otto Pilz

Mit seinen Tierplastiken für die Meissener Porzellan-Manufaktur wurde Otto Pilz bekannt. Eine Erinnerung aus Anlass seines 140. Geburtstags.

In schwierigen Zeiten braucht es Qualität. Das gilt heute, das galt auch um das Jahr 1900. Damals kündigten sich neue Stile in der Kunst an und die altehrwürdige Meissener Porzellan-Manufaktur steckte in einer Krise. Womit könnte man den veränderten Geschmack der Kunden treffen? Zum Beispiel mit den Entwürfen des vor 140 Jahren geborenen Künstlers Otto Pilz. Noch heute sind die Figuren seiner „Affenkapelle“, das „Mädchen mit Ziegen“ und seine Tierplastiken beliebt.

Otto Pilz wurde 1876 im thüringischen Sonneberg geboren. Zum Bildhauer ausgebildet wurde er ab 1895 an der Dresdener Kunstgewerbeschule unter Carl Ludwig Theodor Graff, Hugo Spieler, Alfred Diethe und Paul Hermann Naumann, dann ab 1898 an der Berliner Kunstakademie unter anderem bei Gerhard Janensch und Ernst Herter.

Mit den Vorbereitungen auf die Weltausstellung 1900 in Paris ging die Epoche des Jugendstils ihrem glanzvollen Höhepunkt entgegen. Damals stand die dominierende Rolle der Keramik innerhalb des Kunstgewerbes außer Zweifel. Doch das Leben ist Veränderung: In Kunst und Kunstgewerbe kam Neues auf. Beim Porzellan sollten die bis 1925 folgenden Weltausstellungen und die Urteile der Fachjurys die verschiedenartigen Stilwellen ganz entscheidend beeinflussen. Nach einer langen Stagnationsperiode begann man, gute und ausdrucksvolle Porzellanplastiken neu zu schaffen.

Die Kunst lässt sich von gesellschaftlichen Entwicklungen nicht trennen. Revolutionen, der Erste Weltkrieg und die weltweiten Wirtschaftskrisen hinterließen in der Sphäre der Kunst Spuren. Expressionismus und Kubismus wirkten auch auf die Kleinkunstwerke: Porzellan- und Bronzestatuetten sollten ihren alten, konservativen Habitus abgelegen.

Mit der Gründung des „Werkbundes“ im Jahr 1907 begann die Suche nach neuer Harmonie und ästhetischer Klarheit in allen Lebensbereichen. Der Werkbund – eine Vereinigung von Künstlern, Kunsthandwerkern, Fabrikanten, Kunstwissenschaftlern und Schriftstellern – hatte sich zum Ziel gesetzt, die Ästhetik und die Gebrauchsfähigkeit kunsthandwerklicher Erzeugnisse mit der seriellen, industriellen Produktion zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden. Materialgerechtigkeit und Materialechtheit waren dabei die wichtigsten Anliegen. Klarheit, Sachlichkeit, Zweckmäßigkeit und Angleichung, Einheit von Kunst und Technik: Diese Grundsätze sollten sich schließlich auch im Schaffen der Künstler des 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründeten „Bauhauses“ widerspiegeln.

Es war also eine schwierige, doch spannende Zeit, in der Otto Pilz lebte. Im Zeichen der neuen künstlerischen Bewegung boten sich der Porzellanplastik neue Entwicklungsmöglichkeiten. In dieses Beziehungsgefüge ist auch das Werk von Pilz einzuordnen.

Der Bildhauer beschäftigte sich mit der „kleinen“ wie mit der „großen“ Form. Otto Pilz schuf etliche monumentale Brunnenanlagen und zahlreiche Tierplastiken in Stein und Bronze. Arbeiten von ihm finden sich unter anderem im Zoo von Dresden und in Museumssammlungen von Leipzig, Chemnitz, Jena und Buenos Aires. Was verbindet ihn nun mit Meißen?

Otto Pilz lebte in Dresden. Zwischen 1905 und 1913 erwarb die Königliche Porzellan-Manufaktur in Meißen 29 kleinplastische Modellentwürfe von ihm. Allein seine „Affenkapelle“ umfasst neun Figuren. Im Juni 1911 unterzeichnete Pilz einen Vertrag mit dem sächsischen Staatsfiskus über die Abgabe der Vervielfältigungsrechte an acht Figuren einer „Affenkapelle“, die „vollständig zum Abformen in Gips gegossen“ bereitstehen. Es sind die Figuren „Kapellmeister“, „Paukenschläger“, „Geigenspieler“, „Flötenspieler“, „Bassist“, „Tubabläser“, „Harfenistin“ und „Ziehharmonikaspieler“. Der „Waldhornbläser“ wurde etwas später modelliert.

Otto Pilz war ein äußerst sensibler Schöpfer von Tierbildnissen – stets bemüht, das Wesen des jeweiligen Tieres fern jeder Oberflächlichkeit zu erfassen und in dieser fein beobachteten Natürlichkeit plastisch darzustellen. Seine „Affenkapelle“ ist mit Sicherheit keine Satire. Pilz will die Tiere nicht lächerlich machen. Die Hocker, auf denen einige der tierischen Musiker sitzen, erinnern an Gerätschaften aus dem Zirkus oder dem Varieté. Die Kleidungsstücke der Figuren passen sich dem Stil an.

Augenscheinlich ist die absolute Ernsthaftigkeit der musikalischen Betätigung. Keiner der Affenmusiker fällt in irgendeiner Art aus dem Rahmen. Es ist gerade dieser Aspekt, der diese Figurengruppe auszeichnet. Der Bildhauer verlangt Achtung vor den Tieren, die den Menschen Vergnügen bereiten – unabhängig davon, wie der Betrachter dieses Vergnügen bewertet. Zirkus und Varieté hatten um die Jahrhundertwende glanzvolle Zeiten: Der berühmte Zirkus Sarrasani errichtete 1912 sein festes Haus in Dresden. Zuvor war das Unternehmen seit 1902 in Radebeul im Winterquartier gewesen.

Der Bildhauer Otto Pilz schuf für die Meissener Manufaktur aber nicht nur die „Affenkapelle“. Neben einzelnen Tierfiguren entstanden auch Gruppenplastiken, die bestimmte Beziehungen zwischen Tieren oder zwischen Tier und Mensch anschaulich machen. Sehr beliebt war etwa die Gruppe „Strickender Schäfer mit Heidschnucken“ aus dem Jahr 1908: Sie strahlt eine Atmosphäre von Ruhe und Beschaulichkeit aus. Weit verbreitet muss auch die von Pilz geschaffene Gruppe „Mädchen mit Ziegen“ aus dem Jahr 1906 gewesen sein. Immer wieder finden sich Ausformungen auf dem Antiquitätenmarkt.

Besonders eindrucksvoll ist die Plastik „Mandrill“ aus dem Jahr 1906. Das Tier sitzt ganz still und blickt intensiv zu einem imaginären Betrachter. Es zeigt keine Regung, obwohl es natürlich den Menschen wahrnimmt und einschätzt. Die weichen Scharffeuerfarben verleihen dem Mandrill atmende Wärme und Schönheit.

Ein extrem bewegungsreiches Spiel von Körperlinien zeigt sich an Pilz’ Tiergruppe „Zwei Windhunde“ aus dem Jahr 1910. Die Porzellanplastiken von Otto Pilz trugen wesentlich dazu bei, dass sich das Repertoire der Tierplastiken in der Meissener Porzellan-Manufaktur auf höchstem Niveau entwickelte. Nie schuf der Bildhauer nur dekorative Ausstellungsstücke. Immer waren es verinnerlichte Plastiken, die auf seinen hervorragenden Beobachtungen der Tierwelt beruhen.

Weil die Porzellangestaltungen von Otto Pilz so beliebt waren, ist es nicht verwunderlich, dass er auch Beziehungen zu anderen Produzenten knüpfte. Er arbeitete zum Beispiel auch für die „Schwarzburger Werkstätten für Porzellankunst“ im thüringischen Unterweißbach. Sein umfangreichstes Werk schuf er jedoch für die Meissener Porzellan-Manufaktur.

Otto Pilz starb im April 1934 in Dresden. Sein Grab befindet sich auf dem dortigen Trinitatisfriedhof. Der Bildhauer war immer als freischaffender Plastiker an der Meissener Manufaktur beschäftigt gewesen. Mit dem damaligen künstlerischen Leiter der Manufaktur, Professor Erich Hösel, war er befreundet gewesen: Beide unternahmen einst gemeinsam Reisen in ferne Länder.

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