Problemfall Kornhaus: Sturm, Streit und Kultur

Das Meißner Kornhaus noch vor dem Sturm mit halbwegs intaktem Dach, aber schon schadhafter Fassade Foto: Grau

Beim Sturm hat das Kornhaus am Meißner Domplatz gelitten. Doch schon vorher machte sich Verfall bemerkbar. Ein Verein, der sich um die Immobilie bemüht, wurde vor die Tür gesetzt.

Der Sturm vom 18. Januar hat dem Kornhaus zugesetzt. Dass hier ein Haus durch Leerstand verfällt, ist nicht mehr zu übersehen. Große Lücken klaffen nun in der altersschwachen Dachdeckung. Der Weg an der Fassade ist mit Bauzäunen abgesperrt.

„Betreten verboten“ gilt aber schon seit einigen Wochen für den Verein, der sich die Rettung des Kornhauses auf die Fahnen geschrieben hat. Jens Mahlow gehört zum Vorstand des „Mit Zahnrad und Zylinder e.V.“. Noch bis zum Herbst des vergangenen Jahres hatte der Verein Führungen, Ausstellungen und Kulturaktionen im Kornhaus organisiert. Höhepunkt war im Sommer 2017 ein Festival für „Steampunks“: ein Wochenende Zeitreise in eine fiktive Welt a la Jules Verne. Fans von Technik und Historie aus weitem Umkreis nahmen dieses Angebot gern an.

Doch mit der Kultur im Kornhaus ist nun erst einmal Schluss. Die italienischen Eigentümer erlauben dem Verein keine weiteren Veranstaltungen im Gebäude. „Derzeit herrscht zwischen uns und den Eigentümern Funkstille“, sagt Jens Mahlow. Im Herbst 2017 sei dem Verein von der Venere Immo GmbH die bis dahin erlaubte Nutzung des Kornhauses untersagt worden. „Wir meinen, dass man sich durch unsere Aktivitäten in seinen Bemühungen gestört sieht, das Kornhaus zu verkaufen.“

Verein und Eigentümer teilten wohl noch nie dieselben Ziele für die Immobilie, konnten bislang aber dennoch miteinander leben. Vor mehreren Jahren hatte Meißens städtische Wohnungsgesellschaft SEEG das Kornhaus verkauft. Die italienischen Erwerber kündigten an, das Gebäude zu einem Luxushotel umbauen zu wollen. Die Mieter zogen aus, der Umbau kam aber nie zustande. Heute scheint die von den Italienern gegründete Venere Immo GmbH nur den möglichst gewinnbringenden Verkauf des Kornhauses anzustreben. In den vergangenen Jahren tauchten in Internet-Immobilienportalen immer wieder Verkaufsanzeigen auf. Zuletzt wurde dort ein Preis genannt, der fünfmal so hoch ist, wie die einstige Verkaufssumme von 500.000 Euro. Bislang hat sich offenbar aber noch kein Käufer gefunden.

Der Verein „Mit Zahnrad und Zylinder e.V.“ könnte sich das Kornhaus zu diesen Bedingungen wahrscheinlich nicht leisten. Das Ziel der Mitglieder ist jedoch klar: Sie wollen das historische Gebäude in öffentliche, möglichst kulturelle Nutzung bringen.

Doch trotz der konkurrierenden Ziele trafen sich die Interessen von Eigentümern und Verein bisher in einem Punkt: Beide Parteien wollten das Kornhaus in möglichst gutem Zustand erhalten. So bekam der Verein von den Eigentümern die Erlaubnis, im Gebäude Veranstaltungen abzuhalten. Im Gegenzug übernahm die Mitglieder kleine Reparaturen am Gebäude und achteten auf Werterhaltung. Waren größere Schäden zu reparieren, informierte man die Eigentümer, die dann die Arbeiten in die Wege leiteten. Das Miteinander habe bis zum Herbst gut funktioniert, sagt Jens Mahlow.

Nachdem der Verein vor die Tür gesetzt wurde, litt die Bausubstanz sichtlich. Schon vor dem Januar-Sturm waren am Kornhaus offene Fenster und kleinere Schäden am Dach zu sehen. Von der Fassade fielen Putzbrocken. Der Meißner Stadtverwaltung war das Anlass für Sicherungsmaßnahmen. Sie ließ den Weg am Gebäude mit Bauzäunen absperren, damit keine Passanten von herabfallenden Teilen getroffen werden.

Die Kosten für die Absperrung müsse die Venere Immo GmbH tragen, sagt Stadt-Sprecher Dr. Michael Eckardt. Man habe per E-Mail Kontakt zu den Eigentümern: Sie hätten zugesichert, sich um das Problem zu kümmern.

Das ist mit dem Sturm nun aber noch deutlich größer geworden. Die Untere Denkmalbehörde der Kreisverwaltung sei inzwischen dazu eingeschaltet, sagt Stadt-Sprecher Michael Eckardt. Sie habe die Eigentümer „direkt und unmissverständlich“ aufgefordert, das Kulturdenkmal Kornhaus zu sichern. Die Eigentümer hätten das auch zugesagt. „Die Untere Denkmalbehörde wird die Stadt Meißen über entsprechende Maßnahmen und die darauf folgenden Reaktionen informieren.“ Zusammen mit der Denkmalbehörde sei eventuell auch eine „Ersatzvornahme“ zu prüfen – wenn, die Eigentümer das Kornhaus nicht sichern sollten. Dann würden die Behörden vor Ort Sicherungsmaßnahmen veranlassen. Die Kosten würden den Eigentümern in Rechnung gestellt.

Der Verein „Mit Zahnrad und Zylinder“ engagiert sich unterdessen weiter für das Gebäude. Die Mitglieder planen ein nächstes „Steampunk-Festival“. Es soll vom 6. bis zum 8. Juli stattfinden – wenn die Nutzung des Kornhauses dann immer noch untersagt ist, vor dem Haus auf dem Domplatz. „In den nächsten Tagen steht das Programm für das Festival“, sagt Jens Mahlow. Der Kartenvorverkauf über die Internetseite des Vereins hat bereits begonnen.

Die Nachricht von der Nutzungsuntersagung machte schnell die Runde. Der Verein erfahre in dieser Situation viel Unterstützung, so Mahlow. Auch von prominenter Seite: So hat sich für den 10. Juni Kabarettist Uwe Steimle zu einer Benefiz-Lesung in Meißen angesagt. „Sie findet am 10. Juni ab 17.00 Uhr auf dem Domplatz statt. Wir nehmen dabei keinen Eintritt, sammeln aber Spenden.“ Das eingenommene Geld werde in Aktionen für das Kornhaus fließen.

Die Werbetrommel für eine öffentliche Nutzung des Gebäudes rühren seit einigen Wochen auch die „Freunde des Kornhauses“. Diese Gruppe habe sich aus dem Verein „Mit Zahnrad und Zylinder“ gebildet, sagt Jens Mahlow. Dort arbeite man unter anderem an einem Nutzungskonzept für das Kornhaus: mit Raum für Vereine, Ausstellungen und Kultur.